Die eSport-Entscheidung des DOSB – ein Kommentar

Der DOSB hat sich kürzlich zum Thema eSport positioniert. Ich möchte hier auf einzelne Punkte der Stellungnahme eingehen. Das gesamte Statement des DOSB kann man auf https://www.dosb.de/ueber-uns/esport/ nachlesen.

„eGaming“

Der DOSB unterteilt eSports-Titel in „elektronische Sportartensimulation“ und „eGaming“. Interesse beurkundet er dann letztendlich nur an Ersteren und begründet dies mit der Nähe zum tatsächlich existierenden Sport.
Diese künstliche Unterteilung unterstreicht die Distanz des DOSB zum eigentlichen Thema. Sowohl beim „eSoccer“ wie beim „eGaming“ kommt es auf die selben Fähigkeiten an: Hand-Augenkoordination, Konzentration, Spielverständnis, etc.
Zudem haben sich die Spiele und ihre Szenen parallel entwickelt und auch wenn ich persönlich wenig Gefallen an FIFA & Co empfinde sind sie genau so „eSport“ (oder eben eGaming) wie Starcraft & co.
Ich kann wohl nachvollziehen, dass bestehende Fußballvereine das Spiel FIFA19 besser einbauen können weil all seine Mitglieder es verstehen, es anderen Mitgliedern erklären und vielleicht sogar selbst spielen können. Aber bei Vereinen mit mehreren Sportabteilungen sehe ich das Problem genau wie bei jedem Sport der neu hinzugefügt wird.
In Deutschland hat dies bereits der FC Schalke 04 bewiesen der ein eigenes Team in der EU League of Legends Championship Series besitzt. Und LoL ist definitv keine Sportartensimulation.

Nicht zuletzt möchte ich betonen, dass ich den Begriff „eGaming“ absolut lächerlich finde. Ich gehe jetzt einmal davon aus, dass das e für „electronic“ steht. Und da frage ich mich doch, wie man beim DOSB denn sonst so Gaming betreibt. Weil sonst wäre das „e“ ja irgendwie überflüssig…

Fehlende Bewegung und Suchtpotenzial

Der DOSB schreibt unter Punkt 6

„Eine eigenmotorische, sportartbestimmende Bewegung ist kein konstitutives Merkmal von eGaming. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Videospielen inzwischen als potenziell suchtgefährdende Tätigkeit und damit als Gesundheitsrisiko eingestuft“.

Diesen ersten Punkt höre ich in der „Ist eSport überhaupt Sport?“ Debatte immer wieder – und ich habe ihn noch nie verstanden. Wenn Dart oder Billard Sport sind, wie kann Gaming es dann nicht sein? Ist das blitzschnelle, koordinierte Tippen mit der linken Hand nicht eSport-typisch? Ist die Bewegung beim Schieben einer Maus es nicht? Uneingeweihte können sich gern ein „APM-Video“ von Losira anschauen: https://www.youtube.com/watch?v=-yfMoIVTilo.

Der Verweis auf die potenzielle Suchtgefahr ist ebenfalls lächerlich. Bei wieviel Prozent der Spieler kommt es zu einer Spielsucht? Ich kenne unzählige Gamer – spielsüchtige kenne ich nicht.
Und auch wenn das Problem sicherlich bei einer absoluten Minderheit existieren mag offenbart sich durch diese Aussage wieder ein klassischer Kritikpunkt gegenüber Gamern der bei anderen Hobbies regelmäßig ignoriert wird. Denn während über berühmte Sportler gerne erzählt wird, dass sie „alleine stundenlang gekickt“ oder „Körbe geworfen“ haben ist dies bei Gamern direkt ein Problem. Würden die Jungs stattdessen alleine stundenlang im Bett liegen und lesen wären sie eventuell etwas introvertiert aber würden ja immerhin lesen und das ist angesehen und gut für die Bildung.

Fehlende Gemeinwohlorientierung

Dieser Punkt ärgert mich fast am Meisten. Die Ignoranz des DOSB macht mich regelrecht wütend!

Der DOSB schreibt

„Zwischen der Gemeinwohlorientierung des Sportsystems und der Marktorientierung von eGaming ist nahezu keine organisationspolitische Brücke erkennbar.“

Was ist denn mit „Gemeinwohlorientierung“ gemeint? Die Steigerung der Fitness der Allgemeinheit? Bei einer gemeinsamen Tätigkeit Spaß zu haben? Ehrenamtliches Engagement? Integration und Teambuilding? Erlernen von Werten wie Fairplay und das Anerkennen von Regeln?

Der eSport ist im Grunde durch ehenramtliche Initiativen der Community entstanden. Spielhersteller haben bis in die aktuelle eSport-Generation keine Titel im Hinblick auf den eSport programmiert – die Entwicklung war nie so geplant. Natürlich hatten ein paar Games Multiplayer-Features aber dass sich hierdurch Turniere und Ligen mit siebenstelligen Preisgeldern entwickeln würden hatten wohl die wenigsten Programmierer damals auf dem Schirm.
Die ESL hat seit ihrem Bestehen wahrscheinlich ein paar tausend ehrenamtlich handelnde Admins in ihren Diensten gehabt.
DOTA war jahrelang ein Mod für Warcraft 3 und hat nur durch Dutzende von freiwilligen Helfern ein neues Genre begründet in dem heute einige der größten Spieletitel der Welt beheimatet sind.
Im Meltdown Cologne mussten anfangs die Thekenkräfte neben der Bedienung der Gäste auch die Turniere administrieren. Das bedeutet Format diskutieren, Spieler einchecken, Ergebnisse eintragen, bei Spielen gegen Teams aus anderen Städten mit diesen Teams kommunizieren, etc. Ohne freiwillig einspringende Admins hätten wir wahrscheinlich deutlich mehr Personalwechsel aufgrund Burnouts 😉

Der integrative Faktor des Gaming ist unbestreitbar und meiner Meinung nach sogar größer als bei klassischem Sport. Im Sportverein um die Ecke kommen alle aus der näheren Umgebung, lediglich der soziale Status aufgrund der Familie kann hier etwas voneinander abweichen. Beim Gaming verbindet man sich schnell mit der ganzen Welt, hat Spielpartner aus anderen Ländern und Kontinenten. Abseits des Spiels redet man auch mal über Privates und lernt so andere Kulturen und Erfahrungen kennen und realisiert, dass auch in Ländern die man sonst vielleicht vorwiegend negativ aus den Medien kennt ganz normale Jugendliche leben die das gleiche Hobby teilen. Empathie wird so ganz schnell international und so manche Faktoren, die solche Bindungen im Sport beenden können (die Familie zieht um, die Eltern können sich den Verein nicht mehr leisten, etc) existieren hier nicht. Dazu kommt noch die Tatsache, dass hier Frauen und Männer körperlich gleichgestellt sind – im eSport kommt es vorwiegend auf geistige Tätigkeiten an. Mixed Teams sind – auch wenn in der Realität noch kaum vorhanden – theoretisch überhaupt kein Problem.

Im Gegensatz dazu erwirtschaften „richtige“ Sportorganisationen wie UEFA oder FIFA ihre Milliardenumsätze dank ihres Fokuses auf das „Gemeinwohl“…? Während ich kleinen, lokalen Sportclubs diesen noch zugestehe sehe ich den im professionellen Sport nicht mehr. Hier sind börsennotierte Aktiengesellschaften mit Sponsoren, Werbeflächen, Spielerberatern uvm tätig, nicht die Wohlfahrt. Von Korruption, Wettskandalen oder gar Finanzierung über Glücksspiel (Gott sei Dank ist die Glücksspirale keine Lootbox!) reden wir gar nicht erst. Und die „Football Leaks“ Affäre zeigt noch ganz andere Facetten auf…

Dem eSport fehlen ethische Grundsätze

Weiter geht es mit fadenscheinigen Argumenten

„Beim eGaming gibt es keine Differenzierung nach ethischen Grundsätzen; vielmehr steht eine Vielzahl der Spiele im klaren Widerspruch dazu sowie zu den ethischen Werten des Sports, die im DOSB-Leitbild formuliert sind“

Man kann sich ja vieles schön reden, aber woher kommen denn viele olympische Sportarten? Woher kommen Boxen, Ringen, Fechten oder Bogenschießen? Beim Tontaubenschießen wird mit richtigen Gewehren geschossen die durchaus in der Lage wären, Personen ernsthaft zu verletzen (oder vielleicht auch mehr, ich bin nur Gamer und kenne mich mit Waffen nicht so gut aus, vielleicht können hier Vertreter des DOSB mehr zu sagen). Und selbst der Name des prestigeträchtigsten Laufs der Sportwelt, der Marathon, stammt von einer gewonnenen Schlacht!
Viele Sportarten entstammen einer durchaus blutigen Geschichte während im eSport wahrscheinlich keine handvoll Personen durch Mäuse, Controller oder Tastaturen zu Tode gekommen sind. Und das Schießen auf Pixelmännchen etwa bei Counter Strike ist in etwa mit dem Abschießen eines Pfeils auf eine Zielscheibe zu vergleichen – den Pixeln wird hier noch deutlich weniger Schaden zugefügt als der Scheibe.

Nicht zuletzt besitzen seriöse eSports-Vereine (und auch schon Clans vor Jahrzehnten) Verhaltensklauseln oder Satzungen die ethische Werte vertreten und deren Einhaltung vorschreiben.

Zumindest in seinem letzten Punkt zeigt der DOSB, woher der Wind weht:

Bei einem wachsenden eGaming-Markt steigt der Konkurrenzdruck um Ressourcen, die im Sport ohnehin knapp sind. So konkurriert z.B. die heutzutage bedenklich begrenzte Zeit für aktiven Sport und Bewegung mit den neuen Zeiterfordernissen in den virtuellen Welten. Zudem ist auch die finanzielle Unterstützung des Vereinssports auf allen Ebenen begrenzt und i.d.R. schon heute nicht auskömmlich, so dass hier eine neue Konkurrenzsituation geschaffen würde.

Denn ja – die finanziellen Ressourcen aus Förderungen sind begrenzt und mit dem eSport könnte der Konkurrenzkampf noch größer werden. Aber statt hier auf ein Problem hinzuweisen und – gemeinsam mit dem game, dem ESBD und weiteren Playern – an einem Strang für eine höhere Förderung zu kämpfen wird das Ganze zum Kampf „Sport gegen eSport“ entwickelt in dem beide Seiten nur verlieren werden.

Ich denke langfristig werden sich alle Vereine in Deutschland dem Thema eSport – und ganz entschieden auch dem „eGaming“ Teil – nicht mehr verschließen können! Die junge Zielgruppe und wachsende Zahlen in allen Bereichen sind zu attraktiv als dass es sich irgendein Verein wird erlauben können, hier nicht vertreten zu sein. Genau das selbe gilt für Sponsoren und die Entscheidung von McDonald’s, die die ESL weiter sponsern aber ihre Unterstützung für den DFB nicht verlängert haben wirkt gerade zu dieser Zeit als ein Vorbote für das was die Zukunft bringen mag.

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