Am vergangenen Wochenende tagte der zweite Trainerlehrgang des ESBD Akademie – diesmal in Köln! Am Freitag hatte ich die Chance, mir selbst ein Bild zu verschaffen, was dort überhaupt passiert.
Disclaimer: Ich benutze in diesem Artikel die Begriffe „Sport“ und „eSport“ so als würden sie sich gegenseitig ausschließen. Meine Ansicht dazu habe ich bereits zur DOSB-Entscheidung 2018 in einem anderen Artikel dargelegt.
Was genau lehrt die ESDB-Akademie die angehenden Trainer?
Der ESBD Trainerlehrgang vermittelt vorwiegend soziale Kompetenzen und Soft Skills. Er ist kein Lehrgang zu einem oder mehreren konkreten eSports Titeln. Vielmehr vermittelt er – soweit ich es beobachtet und verstanden habe – keine konkreten Spielinhalte.
Statdessen fokussiert er sich eher auf die Führung des Teams durch den Trainer, auf die Durchführung und Planung des Trainings uvm.
Was muss ein Trainer im eSport eigentlich können?
Vieles was auch ein Coach im „klassischen“ Sport können muss! Er bestimmt den Trainingsplan und -ablauf, sorgt für die Erstellung und Durchsetzung von Regeln, ist verantwortlich für die Stimmung und die gesamte Atmosphäre im Team und vieles mehr. Dabei agiert er teilweise mit dem Team und teilweise allein.
In den paar Stunden die ich vor Ort war wurden unter anderem folgende Themenschwerpunkte angeschnitten:
- Kommunikationsstrukturen innerhalb des Teams mit diversen Unterthemen wie dem richtigen Umgang mit Feedback, Mobbing im Team oder Konfliktbewältigung
- das Aufstellen und Durchsetzen von Regeln
- die Vorbildfunktion des Trainers
- Veränderungen im Team
- Trainingsmethoden
Weitere Felder sind wohl unter anderem jugendschutzrechtliche Vorschriften – ein nicht zu ignorierender Faktor wenn man in Deutschland mit Gaming zu tun hat!
Weitere Ausbildungsinhalte konnte ich mangels Zeit leider nicht erkunden und der Link zu den Ausbildungsinhalten auf der ESBD-Webseite führt bisher ins Nichts – es bleibt zu hoffen, dass da noch nachgebessert wird.
Parallelen zum „klassischen Sport“
Besonders interessant wurde es meiner Meinung nach immer dann, wenn die Parallelen zum klassischen Sport offensichtlich wurden.
So kam z.B. das Thema alternativer Trainingsmethoden auf sowie die allgemeine Frage, wie man mit unterschiedlich starken Spielern bestimmte Themen trainieren kann. Einer der Teilnehmer, seit Jahren im Fußballverein aktiv, erzählte, wie dort manchmal Laufwege trainiert werden: „Wenn manche Spieler technisch stärker sind und jeden Zweikampf gewinnen hält dies vom eigentlichen Trainingsziel ab. Wir stellen dann vom Passen des Balls auf Werfen um. Denn werfen tun alle gleich schlecht und wir können uns auf das konzentrieren worum es geht: Laufwege“.
Hier wird deutlich, wie der eSport vom Sport und all der Erfahrung aus diesem Bereich profitieren kann. Zudem wird offensichtlich, wie ähnlich sich beide Felder doch in vielen Bereichen sind. Weiterhin zeigt dies aber auch die gesamte Ausprägung des Lehrgangs: hier geht es um die sozialen Faktoren, den Faktor Mensch – und damit auch um die gleichen Problemfelder wie im Sport. Worum es eben nicht geht ist das konkrete Lernen am Spiel à la „so farmt man richtig“.
„Aber man lernt ja gar kein [HIER SPIEL EINFÜGEN]“
Ein wohl häufiger Kritikpunkt am ESBD-Lehrgang ist scheinbar die Tatsache, dass kein konkretes Spiel trainiert wird. Zum Beispiel dass „man ja gar nichts über League of Legends lernt“.
Ich persönlich frage mich, wie umfangreich ein solcher Lehrgang aussehen müsste. Das „Lernen“ von allen Champs mit allen Spells, Items, Timings und mehr? Oder nur ein grober Abriss „das sind die Lanes, hier sind Tower, das ist die Base“?
Abgesehen davon wäre es bei der Schnelllebigkeit des eSports nicht ungewöhnlich, wenn diverse Sachen, die am Anfang des Lehrgangs noch zutreffen, zum Ende des Lehrgangs aufgrund eines Spiel-Updates bereits wieder veraltet sind. Der Lehrgang müsste mehrmals im Jahr überarbeitet werden, eben gelerntes wäre schnell wieder nutzlos. Eine Tatsache die dem aktuellen eSport – Spiele wie Smash Brothers Melee die keine Updates bekommen mal ausgenommen – logischerweise anhaftet. Dies sollte jedem Akteur im eSport klar sein, allerdings wirkt es natürlich umso ärgerlicher, wenn man doch extra einen Lehrgang besucht und diesen auch bezahlt hat. Ich halte den Schritt des ESBD hier für absolut richtig.
Zudem ist es auch im eSport – auch hier wieder eine Parallele zum Sport – nicht so, dass der Trainer zwangsweise gleichzeitig ein guter Spieler sein muss. Natürlich sind Erfahrungen und eigenes Wissen hilfreich und zum Teil Grundvoraussetzung. Dies beinhaltet aber nicht, dass der Trainer all seine Spieler im 1v1 schlagen können muss. Die Aufgabe eines Trainers liegt darin, Teamleistungen und Spieler zu analysieren und entsprechende Trainingsschwerpunkte zu setzen. Dazu kommen diverse soziale Faktoren, die nichts mit dem eigentlichen Spiel sondern mit dem Faktor Mensch zu tun haben. Gerade bei Letzterem ist es völlig irrelevant, wie gut der Trainer das Spiel beherrscht – hier geht es um soft skills.
Wissenschaftlich fundiert
Moderiert wurde der Trainerlehrgang während meiner Anwesenheit vorwiegend von Markus Möckel.
Als studierter Sportwissenschaftler und angehender Sportpsychologe merkte man, das viele seiner Aussagen nicht nur auf eigenen Erfahrungen fußen sondern auch viel wissenschaftliches Know-How beinhalten.
So brachte er z.B. auf einer Folie zu Konflikten im Team die Theorie zur Konflikteskalation nach Friedrich Glasl auf und zeigte nicht nur an dieser Stelle, dass der Lehrgang auf wissenschaftlicher Forschung basiert. Gerade im eSport sind immer noch viele Akteure unterwegs, die einem wer weiß etwas erzählen und Fakten verdrehen um sich selbst oder den eSport besser darzustellen. Da wirkt es herrlich erfrischend und vertrauenswürdig wenn mit Quellen auf wissenschaftlicher Basis gearbeitet wird.
Natürlich führt das auch dazu, dass die ein oder andere Folie etwas schwerer verdaulich ist. Wissenschaftliche Arbeiten und Theorien sind nunmal nicht immer schnell verständlich und spannend.
Mein Fazit: ein toller erster Schritt!
Die ESBD-Akademie war großartig. Viele verschiedene Personen aus diversen Bereichen – vom langjährigen eSports-Coach über Medienpädagogen zu erfahrenen Sportlern – bekommen hier Inhalte vermittelt.
Die Inhalte umfassen dabei diverse Bereiche und fundieren auf wissenschaftlichen Erkenntnissen. Die Trainer sind augenscheinlich sehr erfahren und arbeiten professionell.
Interessant fand ich auch, dass viele der hier vermittelten Kompetenzen nicht nur für eSports-Trainer hilfreich sind. Sie können jedem helfen der in einer Führungsposition tätig ist: egal ob beruflich als Teamleiter, Ausbilder, Chef oder eben privat als Trainer eines Clans.
Vor allem im Bereich der Konfliktbewältigung kann auch ich nach fast vier Jahren als Chef mit mehreren Angestellten noch viel lernen. Nicht nur aus diesem Grund hätte ich am liebsten an allen drei Tagen des Lehrgangs teilgenommen.
Der ESBD macht hier für ein so neues Feld einen beeindruckenden Job und ich hoffe, dass der Lehrgang mit der Zeit mehr an Aufmerksamkeit und auch Ansehen gewinnt.
Der ESBD-Lehrgang kostet für ESBD-Mitglieder 200, für Nicht-ESBD-Mitglieder 400 Euro.
Mehr Infos zum Trainerlehrgang des ESBD findet Ihr auf https://akademie.esportbund.de/
Andreas organisiert seit 2012 eSports-Events in Köln und leitet seit Januar 2016 die Gaming- und eSports-Bar „Meltdown Cologne“. In seiner Freizeit versucht er ab und zu Sport zu treiben, schaut Serien und spielt Games oder mit seinen Katzen. Dazu trinkt er tagsüber literweise Kaffee und abends gerne Wein oder gutes Bier.