Sind Gaming- und eSports-Bar DAS Gastronomiekonzept des 21. Jahrhunderts? Oder sind die junge Zielgruppe, hohe Strom- und Technik-Kosten sowie der eSport als junge Branche eher Fluch als Segen?
Risikobranche Gastronomie
Die Gastronomie ist grundsätzlich ein schnelllebiges Geschäft: regelmäßig schließen Betriebe nur wenige Monate nach der Eröffnung. Aber auch alteingesessene Betriebe müssen zum Teil sehr überraschend die Segel streichen. Die Gründe sind vielfältig und könnten einen weiteren Artikel füllen. Typisch sind auf der einen Seite auslaufende Pachtverträge und Vermieter die die Kosten mal eben um ein vielfaches erhöhen. Auf der anderen Seite Betreiber die Recht und Gesetz nicht allzu genau nehmen, ihre Lizenzen verlieren oder einfach schlecht wirtschaften.
„Gamer“ als Kunden
Diese „Problembranche“ wird nun mit Gaming und/oder eSports kombiniert um ein neues Gastronomiekonzept zu begründen. Leider haften auch Gaming und eSport diverse Vorurteile an:
- Gamer gelten als unsozial („die gehen doch eh nicht raus“)
oder langweilig („trinken die überhaupt etwas?“) - das Publikum ist sehr jung und nicht gerade finanzstark
- Gaming an sich wurde gerade in Deutschland lange verteufelt (siehe die unleidliche „Killerspiel-Debatte“), galt mehr als Spielzeug denn als Kultur und wird noch bis heute stiefmütterlich behandelt
- die eSport-Branche ist noch sehr jung und für Außenstehende schwer einzuschätzen
Gamer = unsozial & langweilig
Den „Gamer“ gibt es nicht. Heute kommt fast jeder irgendwann mit Gaming in Berührung. So wie es den dicken, pickligen „Klischeegamer“ gibt der kaum rausgeht, gibt es den durchtrainierten und extrovertierten Typ. Wie in jeder Bar gibt es auch in einer Gaming Bar Leute die über den ganzen Abend ein Wasser trinken. Andere Gäste trinken allein für 30 Euro und spendieren Shots für weitere 50 Euro. Zudem zieht eine gute Gaming-Bar auch Nicht-Gamer an: indem die Bar gut eingerichtet ist und das Produktangebot stimmt.
Eine junge Kundschaft ohne Geld
An diesem Punkt ist tatsächlich etwas dran. Das liegt allerdings weniger am „Gamer“ sondern an der jungen Zielgruppe. So hat man automatisch mehr Azubis oder Studenten unter seinen Gästen. Und dass solche weniger liquide sind als im Berufsleben stehende Ü40er ist logische Konsequenz.
Grundsätzlich ist eine junge Zielgruppe aber einer alten vorzuziehen, denn sie bietet das Potenzial, sich zu verbessern. Wir haben diverse Gäste, die langfristig immer mehr Geld in den Laden bringen sobald sie mehr verdienen. Natürlich nur, falls sie die Barbesuche mit ihrem Arbeitsleben noch vereinbaren können. Letzteres Problem haben allerdings auch andere Studentenbars – und auch die meisten der eben genannten zahlungskräftigen Ü40er. Bars mit jungem Publikum sind also voller als Ü40er Bars – dafür ist der durchschnittliche Pro-Kopf-Umsatz geringer.
Letztlich altert die Zielgruppe zudem mit der Branche. In zehn oder zwanzig Jahren wird die Zielgruppe nicht mehr nur aus Leuten Anfang zwanzig bestehen. Das Problem ist also wohl eher eines das auf die erste Generation von Gamingbars beschränkt bleiben wird. Hierdurch kann dieses Gastronomiekonzept auf eine langfristigere Kundenbindungen als z.B. die eben genannten Studentenkneipen hoffen.
Gaming in Deutschland
Während Buch, Musik und Film in Deutschland hoch angesehen und entsprechend gefördert werden ging es Gaming lange anders. Steigende Umsatzrekorde wurden ignoriert – Killerspiel-Debatte und angebliche Spielesucht verunsicherten ältere Semester.
Diese öffentliche Meinung ändert sich jedoch seit einigen Jahren. Immer mehr Personen die mit Games aufgewachsen sind sitzen in Entscheiderpositionen. Die Umsatzzahlen der Branche sind auch in der Politik angekommen und klassische Sportvereine mit immer älter werdendem Kundenstamm können die demografischen Potenziale der Gaming-Branche nicht länger ignorieren.
eSport – die Unbekannte
Der eSport ist eine junge Branche. Zwar gibt es sie – wenn wir von der LAN-Variante ausgehen – bereits seit den 90er Jahren aber lange wurde sie immer wieder erschüttert von Skandalen: sich auflösende Teams, nicht-gezahlte Preisgelder, Trainer und Teamchefs die mit Preisgeldern verschwanden oder Turnierorgas die nach großspurigen Ankündigungen nicht einmal ihr Turnier auf die Reihe gestellt bekamen. In den letzten Jahren erfährt die Szene aber eine deutliche Professionalisierung.
Bei Außenstehenden beginnt das Unverständnis bereits beim Begriff: eSport wird mit Sportsimulationen wie FIFA in Verbindung gebracht. An Titel wie League of Legends, DOTA2 oder Starcraft, die den eSport seit nun fast einem Jahrzehnt prägen, denkt der Nicht-Eingeweihte im ersten Moment nicht. Dazu gibt es „DEN eSport“ so nicht. Nicht nur wegen der Vielfältigkeit an Spielen sondern auch mangelndem Vereinswesen und Verbänden wie im klassischen Sport.
Dazu sind die Spiele für Außenstehende aufgrund ihrer Komplexität oft nicht in zwei einfachen Sätzen zu erklären und in ihrer Gesamtheit sowieso nur von Hardcore Spielern zu verfolgen.
Die großen Wachstumszahlen im eSport und die noch größeren Prognosen schüren Ängste vor einer „eSports-Blase“.
Und auch wenn ich viele der seit Jahren veröffentlichten Prognosen sehr kritisch sehe und mit Vorsicht genießen würde bin ich persönlich der Ansicht, dass eSport nicht mehr verschwinden wird.
eSport ist ein Wettbewerb – und damit einfach eine logische Konsequenz die aus dem Hobby „Gaming“ entsteht. Denn jedes Hobby führt zu speziellen Wettkämpfen: Bierbrauer haben Bierpreise, Taubenzüchter veranstalten Meisterschaften und selbst für Beerpong gibt es inzwischen Turniere.
Gaming ist das größte Hobby der jungen Generation, das Medium des 21. Jahrhunderts – es wird nicht verschwinden und es wird immer wieder neue Spiele mit neuen Wettkampfdisziplinen geben. Und somit wird auch der eSport bleiben.
Aber gehen wir rein theoretisch mal davon aus wir hätte hier eine eSports-Blase die platzen sollte: die Gastronomie in Form einer Bar ist keine Blase sondern ein seit Jahrtausenden bestehender Gewerbezweig. Und zwar einer, der nicht von Digitalisierung oder Automatisierung bedroht ist denn Sie bedient ein menschliches Grundbedürfnis: direkte menschliche Interaktion.
Im Gegensatz zu vielen eSports-Vereinen, Streamern oder Online-Content-Produzenten leben eSports-Bars nicht von Sponsoren, Investoren, Donations, Patreon oder sonstigen freiwilligen Spenden. Sie verdienen einen Großteil ihrer Umsätze mit dem Verkauf von Getränken und mit ihren Stammgästen. Ihrer Community. Eine Bar mit lebendiger Community geht auch ohne PCs nicht unter.
Der Grund wieso Leute anfangs in die Bar kommen mag das Gaming sein – der Grund warum die Gäste wiederkommen ist es die Kommunikation mit Gleichgesinnten, das Teilen und Zelebrieren des gemeinsamen Hobbys.
Letztendlich wird eine schlechte Bar durch das Einbinden von eSport nicht überlebensfähig. Eine gute eSports-Bar könnte aber auch ein Schrumpfen des eSports überleben. So oder so verspricht das Gastronomiekonzept der Gaming-Bar enormes Zukunftspotenzial…
Andreas organisiert seit 2012 eSports-Events in Köln und leitet seit Januar 2016 die Gaming- und eSports-Bar „Meltdown Cologne“. In seiner Freizeit versucht er ab und zu Sport zu treiben, schaut Serien und spielt Games oder mit seinen Katzen. Dazu trinkt er tagsüber literweise Kaffee und abends gerne Wein oder gutes Bier.
Hallo
Super Beitrag.
Braucht man eine Lizenz vom (Spielentwickler) um die Games in einer Bar zur Verfügung zustellen?
Das Konzept wäre schon interessant.
Gruss
Marco
Hallo Marco,
bisher braucht man keine. Vermehrt merken die Spielehersteller auch, dass das Präsentieren ihrer Spiele eher der Werbung dient. Uns werden darum Spiele sehr häufig gratis zur Verfügung gestellt denn wenn ein Spiel in der Bar überzeugt kauft man es sich eventuell auch für zuhause.
Ob irgendwann eine Lizenz zum Zeigen (!) von Spielen benötigt wird (ähnlich wie z.B. beim Fußball) ist nochmal eine andere Geschichte.
Hallo Andreas
Danke für deine Rückmeldung.
Ich habe eben bei einigen Spielentwickler bei den Agbs nachgelesen, dass es untersagt ist mit Ihrem Eigentum einen kommerziellen Gewinn zu erwirtschaften.
Dass heisst ich kann einige Konsolen und Games in einer Bar problemlos gegen Bezahlung zur Verfügung stellen?
Herzlichen Dank für deine Antwort.
Gruss
Marco
Da bin ich der falsche Ansprechpartner denn wir nehmen kein Geld für das Spielen an sich. Wir erwirtschaften unsere Umsätze lediglich mit Getränken und anderen Services – das Spielen an sich ist bei uns immer gratis gewesen.
Für die Auslegung von AGB solltest du besser einen Juristen zu Rate ziehen oder die Firmen direkt kontaktieren.
Super, Danke Andreas du warst sehr hilfreich.
Ich wünsche dir weiterhin alles Gute und falls ich mal in der Nähe bin schaue ich gerne bei dir rein.
Gruss
Marco