Coronahilfen für die Gastronomie

Wie sinnvolle Coronahilfen für die Gastronomie aussehen würden

Nach zwölf Monaten Lockdown sind manche Gastronomien bereits acht Monate geschlossen. Wie lange kann die Branche das noch überleben, welche Betriebe trifft es am härtesten und wie sehen sinnvolle Coronahilfen für die Gastronomie aus?

Ich habe Verständnis für alle, die Lockerungen verlangen

Bevor jetzt wieder Leute nach Lockerungen schreien mit denen die Gastro wieder öffnen und selbst Geld verdienen könnte: es ist schwierig.
Ich kann die Einschränkungen vollkommen verstehen und stehe grundsätzlich hinter ihnen. Gerade mit den Mutanten stehen wir vor erneut hohen Inzidenzen und beim Impfen kommen wir leider auch nicht voran. Jetzt eine „Durchseuchung“ zu riskieren wirkt nach zwölf harten Monaten mit vielen Einschränkungen irgendwie verkehrt – und würde auch wieder vermehrt Menschenleben kosten!

Ich kann aber auch jeden Gastronom verstehen, der gerade um das Überleben seines Ladens kämpft und dann vielleicht nicht mehr allzu „vernünftig“ denken will/kann wenn die eigene Existenz auf dem Spiel steht.
Wir haben hier Läden mit z.T. jahrezehntelanger Geschichte.
Das sind Leute – wie ich – bei denen der Laden die Erfüllung eines Traums darstellt. Der eigene Laden ist nicht nur bloße Einkommensquelle. Es ist der Mittelpunkt des eigenen Lebens, das was einen als Menschen ausmacht. Das womit einen andere Menschen verbinden und womit man sich selbst identifiziert!

Der Laden ist dadurch natürlich auch Altersabsicherung. Ein Unternehmen mit Wert kann man theoretisch verkaufen. Das Firmenkonto ist irgendwo auch eigenes Vermögen. All das ist gerade in Gefahr. Nicht nur bei mir sondern bei Tausenden anderer Gastronomen, Eventmanagern, Clubbesitzern und mehr.

Hierfür hat man jahrelang doppelt, manchmal drei Mal so viel wie andere geschuftet. Im ersten halben Jahr des Meltdowns kam ich wöchentlich niemals unter 100 Stunden Arbeit und das für ein Monatsgehalt von 2000 Euro Brutto. Auch bis in 2019 kann ich mich an keine 40-Stunden-Woche erinnern, meistens pendelt man zwischen 60 und 80. Urlaub machte ich maximal zwei Wochen pro Jahr. Ich schreibe das nicht, weil es hart war. Sondern weil ich es gerne getan habe um mich selbst zu verwirklichen.
Mit meinem Laden!

November- und Dezemberhilfen waren gut aber übertrieben

Mit der November- und Dezemberhilfe haben manche Gastronomen tatsächlich Gewinne gemacht. Man bekam 75 Prozent des Umsatzes aus den Vergleichsmonaten von 2019. Bei natürlich deutlich geringeren Fixkosten denn die Läden sind geschlossen und Angestellte entweder gefeuert oder in Kurzarbeit. Da kann man tatsächlich ordentlich Gewinne machen.
Diese Gewinne gleichen zwar die Verluste vorher (und voraussichtlich nachher) bei den Meisten nicht aus, trotzdem kann es ja nicht sein, dass die Coronahilfen für die Gastronomie Gewinne bescheren während der (nun) ebenfalls geschlossene Einzelhandel Fixkosten nur anteilig ausgeglichen bekommt.
Wir wollen leben und nicht pleite gehen. Das war’s. Wir sind Unternehmer – wir leben nicht von Almosen des Steuerzahlers!

Vor allem aber kann es ja nicht sein, dass man November und Dezember Gewinne macht, im Januar und Februar dann aber wieder Tausende Euros verliert weil die Überbrückungshilfen vieles nicht abdecken.
Ich kenne einen Betrieb (z.B. die Pizzeria gegenüber des Meltdowns) der aufgrund interner Probleme im November/Dezember 2019 geschlossen hatte. Die haben von den Coronahilfen für die Gastronomie nur die Sofort- und Überbrückungshilfen erhalten. Keine November- und Dezemberhilfe. Die sind jetzt pleite. Das wars! Denn die anderen Hilfen reichen nicht!

Sinnvolle Hilfen. Was MUSS sein?

Stattdessen sollten die Hilfen sinnvoll zusammengesetzt sein. So dass die Gelder vernünftig verteilt werden und möglichst viele Betriebe überleben können! Coronahilfen für die Gastronomie sollten alles abdecken und zugleich sicherstellen, dass keine Gewinne entstehen.

Ich schlage darum die volle Übernahme folgender Kostenfaktoren vor:

Miete/Pacht

Ist in der Gastro eine der Hauptkosten. Eine gute Gastro braucht eine gute Lage und die kostet in der Regel. Und je größer desto teurer.
Aktuell werden maximal 90% übernommen. Das klingt gut, ich kenne aber Läden in Köln mit fünfstelliger Monatsmiete. Die gehen jetzt immer noch ein paar tausend Euro in die Miesen. Pro Monat. Nur für die Miete.

Gehalt für Inhaber/Geschäftsführer und Azubis

Bisher können Angestellte in Kurzarbeit geschickt werden. Das ist ein tolles Instrument und der Arbeitgeber kann ggf. aufstocken.
Leider können Gesellschafter-Geschäftsführer wie ich leider eben nicht in Kurzarbeit gehen. Auch wenn es kaum etwas zu tun gibt. Die Coronahilfen für die Gastronomie schreiben sogar nochmal explizit, dass sie NICHT für Geschäftsführer gelten.
Das gleiche galt lange Zeit für Auszubildende, wurde mit der Überbrückungshilfe III aber gefixt.
Ich hocke darum immer noch mit meinem Angestellten im Laden herum. Wir nutzen das natürlich sinnvoll und optimieren was geht: neue Karten, neue Ordnung hinter der Theke, eine Spülmaschine für hygienische Gläserreinigung etc… Aber im Ernst: das ist eigentlich eher Beschäftigungspolitik denn es ging ja auch fünf Jahre lang ohne all das. Mein Azubi macht eine Ausbildung als Veranstaltungskaufmann. Man kann sich denken, wie viele Veranstaltungen wir seit Beginn der Pandemie geplant haben…

Der Staat kann nicht wollen, dass Auszubildende ihre Ausbildung verlieren weil der Betrieb sich den Azubi nicht mehr leisten kann.
Und Inhaber sollte zumindest eine gewisse pauschale Entschädigung bekommen damit diese von irgendetwas ihr Privatleben finanzieren können. Und wenn es nur der Grundsicherung besteht – aber eben ohne entsprechende Prüfung. Denn diese Leute sind unverschuldet in dieser Situation gelandet. Trotz guter Ausbildung, Eigeninitiative und Motivation gibt es nicht einmal Ansprüche wie sie Hartz-4-Empfänger bekommen.
Stattdessen verbrennen Firmengelder und private Renten.

MwSt-Senkung auch auf Getränke

Wie schon in meinem letzten Artikel geschrieben wird gerade die getränkeorientierte Gastronomie vom Lockdown getroffen. Hier gibts kaum Möglichkeiten für togo-Geschäft denn Bars verkaufen Stimmung und volle Hütten.
Trotzdem erhalten Imbisse durch die MwSt-Senkung von 19 auf 7% eine enorme Hilfe. Die gilt aber weiterhin nur auf Speisen!
Dabei kenne ich persönlich Imbisse, die jetzt mehr verdienen als je zuvor. Bei weniger Kosten weil ja niemand mehr vor Ort ist und den Boden dreckig macht, die Toiletten nutzt, usw.
Die Bars brauchen Unterstützung und das sofort sonst gibt es bald keine mehr! Ich fordere auch hier eine Senkung der Mehrwertsteuer! Dies ist sogar Bestandteil des 10-Punkte-Plans der Stadt Essen. Benötigt wird dafür aber natürlich eine Aktion des Bundes.

Was kann so bleiben wie bisher?

Hier zähle ich auf, was meiner Meinung nach mehr oder weniger so bleiben kann wie bisher. Damit meine ich, dass natürlich weiter Hilfen gezahlt werden, aber dass hier die Abstufung noch in Ordnung ist.
Ich kann 10% der übrigen Kosten noch zahlen, das geht (dagegen ist das fehlende Gehalt eine ganz andere Hausnummer).

Ich gebe zu Bedenken: der Gesetzgeber könnte auch ein Sonderkündigungsrecht (oder eine Aussetzung) für laufende Verträge einrichten. Macht er aber nicht weil der Lockdown ja immer nur für ein paar Wochen geplant ist. Eigentlich.
Für die Gastronomen, die so mit dem Rücken zur Wand stehen, dass auch das nicht mehr geht.

Dauerfristverträge aller Art

Telefon/Internet, Versicherungen, Kassensysteme und andere Software (z.B. Adobe, Wifi-Anbieter), Mitgliedsgebühren in Vereinigungen (game, games.nrw, GKL, DEHOGA, etc) – die Gastro hat eine Menge größere und kleinere Kostenfaktoren die man nicht so eben abstellen kann.

Nun sind es bald fünf Monate die z.B. Telekommunikationsanbieter bezahlt bekommen obwohl die Leitungen in den meisten Fällen gar nicht mehr benutzt werden. Da fragt man sich, ob hier den Gastronomen oder eher den Serviceanbietern geholfen werden soll. Denn Letztere bekommen ja so schön weiter ihre 100% (von Kunden die die Services gar nicht mehr nutzen).

Software und Dienstleistungen kann man oft jährlich bezahlen, das gleiche gilt für Mitgliedsgebühren. Wenn das dann in einen Monat fällt in dem man keine Hilfen erhält ist das natürlich ärgerlich. Hier zeigt sich aber auch wieder ein Zufallsfaktor denn die werden von der Überbrückungshilfe III übernommen. Zahle ich also alles im Januar bis Juni habe ich Glück und bekomme 90% gezahlt. Danach…das weiß noch niemand.

Dass man GEMA und GEZ trotz geschlossener Läden weiterzahlen muss und erst nach drei kompletten Monaten seine Zahlungen zurück bekommt ist eine Frechheit!
Ich habe von Clubs gehört, die bereits für 2021 die gesamte GEMA-Gebühr im Voraus zahlen sollten. Da will man wohl abkassieren solange es das den Laden noch gibt.

Strom

Stromkosten sind ein schwieriges Thema denn der Verbrauch ist je nach Betrieb höchst individuell. Manch Gastronomie hat diverse Kühlhäuser und eine riesige Küche, die Kneipe 50m weiter hat nur Licht und ein paar Kühlschränke. Wir haben darüber hinaus über 20 Screens, neun PCs, sieben Konsolen und zwei Klimaanlagen – selbst Kneipen unterscheiden sich also stark voneinander!

Zudem frage ich mich, ob der Staat es bemerkt, wenn jemand seinen Stromabschlag erhöht. Natürlich betragen die Stromkosten bei komplett geschlossenen Betrieben nur einen Teil der Höhe vor dem Lockdown. Bei uns ist das eventuell aufgrund Streamings, Cocktailverkauf und unseren Renovierungen nicht ganz so krass aber ich kann mir vorstellen, dass selbst wir Stromkosten zurückerstattet bekommen.
Letzten Endes ist das aber auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein wenn dafür jeden Monat alle Kosten nur zu 90% erstattet werden.

Fazit

Die Gastronomie weint seit Anbeginn der Pandemie. Und große Teile sind auch schwer betroffen!
Inziwschen sind wir nach zwölf Monaten fast acht davon geschlossen und für den ein oder anderen wird es super eng. Oder ist es schon zu spät – vielerorts wird schon von „Zombieläden“ gesprochen, die längst pleite aber „noch da“ sind.
Die Politik muss hier JETZT helfen! Sonst stirbt eine gesamte Branche!
Mit umfangreicheren Coronahilfen für die Gastronomie und am Besten mit neuen Rechtsinstituten, die es in einer solchen Situation ermöglichen, Dauerfristverträge, die nicht genutzt werden können, unentgeltlich aussetzen oder fristlos kündigen zu können.

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