Die Gastronomie Regulierungen durch die Politik

Die Geschichte der Gastronomie Regulierungen in der Corona-Krise ist eine Geschichte voller Missverständnisse. Missverständnisse auf Seiten der Politik, dass ihre Maßnahmen die gewünschten Ergebnisse bringen und Missverständnisse auf Seiten derer, die diese Maßnahmen treffen.

Dieser Artikel ist geschrieben aus meiner Sicht. Ich betreibe eine „Kneipe“, also Schankwirtschaft ohne Besonderheiten mit Hintergrundmusik in Köln. Damit treffen mich die Regelungen von Köln, NRW sowie die bundesweiten Einschränkungen gleichermaßen. In anderen Bundesländern und Städten mag die Ausprägung anders aussehen.

Der Lockdown beginnt

Die Gastronomie Regulierungen begannen in Köln am 14.03.2020 und sollten zunächst bis zum 19.04. gelten. Die Allgemeinverfügung der Stadt Köln (hier nachzulesen) kam nachmittags und damit knapp zehn Stunden bevor Bars für mindestens fünf Wochen schließen mussten. Dass das doch ziemlich spontan ist ist eine Sache. Viel schlimmer war, dass sie ziemlich missverständlich war.

Ihre Grundaussage:
„jegliche Veranstaltung im Kölner Stadtgebiet ist bis einschließlich 10.04.2020 untersagt“.
Ein paar Ausnahmen (insbesondere die
„Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit/Ordnung oder der Daseinsfürsorge und –vorsorge“) nennt sie danach.

Danach spezifiziert sie
„Ebenfalls (…) sind in Anlehnung an die Regelungen des Feiertagsgesetzes NRW für stille Feiertage musikalische und sonstige unterhaltende Darbietungen jeder Art in Gaststätten (…) sowie alle anderen der Unterhaltung dienenden öffentlichen Veranstaltungen einschließlich Tanz untersagt.“

Sie verbietet grundsätzlich also Veranstaltungen und richtet sich nach den Regelungen für stille Feiertage. So weit verständlich.
Aber was genau sagt denn das Feiertagsgesetz NRW bezüglich stiller Feiertage? Das kann man hier nachlesen.
Verboten sind da diverse Dinge. Für mich interessant sind maximal

Abs. 1 Nr.2:
sportliche und ähnliche Veranstaltungen

Abs. 1 Nr.4:
musikalische und sonstige unterhaltende Darbietungen jeder Art

Abs. 1 Nr.5.
„alle anderen der Unterhaltung dienenden öffentlichen Veranstaltungen“

Gut dass esport laut DOSB ja kein Sport ist. Wahrscheinlich nicht einmal „ähnlich“ wie Sport. Nr. 2 fällt also raus 😉
(Einen passenden Artikel zu dieser Entscheidung von mir gibt es übrigens hier.)
Da wir keine Konzerte/Live-Musik bei uns veranstalten gibt es also auch keine musikalische Darbietung. Hintergrundmusik wird kaum dazu gehören.
Nr. 5 ist gerade in unserer Bar aber Standard. Es gibt fast keinen Tag an dem wir keine Veranstaltung haben. Und manche von denen sollen sogar – es ist kaum zu glauben – unterhalten. Nicht umsonst sind wir seit 2019 Ausbildungsbetrieb zum/zur Veranstaltungskaufmann/-frau.

Und ohne Events?

Was aber wenn wir keine Events mehr machen würden? Wenn wir einfach nur öffnen so wie 90% der „normalen“ Bars. Dann gibt’s keine Veranstaltung und das Feiertagsgesetz greift nicht mehr.

Wir entschlossen uns, vernünftig zu sein und schlossen um Mitternacht. Diverse andere Bars blieben allerdings länger offen und waren noch voller weil ja die Bars wegfielen, die bereits geschlossen hatten.
Dazu kamen über den Sonntag Definitions-Streitereien weil es plötzlich hieß, Bars und Kneipen müssten schließen, Gaststätten dürften aber offen bleiben.
Das Problem dabei: das Gaststättengesetz (hier nachzulesen) kennt keine Kneipen oder Bars. Es kennt nur Gaststätten. Auch wir haben eine Konzession als „Gaststätte“.
Die Stadt Köln befeuerte dies noch mit ungenauen Formulierungen während der PK die den Anschein machten, es gäbe klare Unterschiede zwischen Bar, Kneipe und Gaststätte.

Die Webseite der Stadt (siehe hier) schrieb darüber hinaus
„Der Besuch von Restaurants und Gaststätten, die mit einem Essensangebot der Versorgung dienen, bleibt möglich.“ und schien damit darauf abzustellen, ob eine Gaststätte Essen anbot oder nicht.
Manche Bars fingen also plötzlich an, Frikadellen oder Bockwürstchen zu verkaufen. Ihrer Ansicht nach galten sie damit als „Gaststätte“ und durften offen bleiben.
Ob das Ganze kontrolliert wurde weiß ich nicht. Und inwiefern es erlaubt war auch nicht. 
Nichtsdestotrotz wären klare (!) Regelungen bei einer solchen Entscheidung zur Gesundheit aller und zur Wahrung der Chancengleichheit wünschenswert!

Die Frist läuft ab – und wird verlängert

Am 19.04. ging dann alles weiter wie bisher. Die Gastronomie Regulierungen blieben wie gehabt bestehen und Bars blieben geschlossen –  ohne jegliche Ankündigung wann sich das ändern würde.

Die Gastro öffnet wieder – wenn sie Essen anbietet

Am 11.05. durften dann Restaurants wieder öffnen – und der Irrsinn um Öffnung aufgrund eines Essensangebotes ging weiter. Denn ausschlaggebend für die Öffnung einer Gastronomie ist nun die Speisekonzession. Also die Erlaubnis, Essen zu verkaufen.
Das Paradoxe daran: manche „Bars“ haben eine solche Konzession. Bei uns auf der Straße, keine 20 Meter entfernt von uns, zum Beispiel ein Irish Pub.
Vermuten würde man das nicht. Es ist eine Bar. Genau wie unsere. Mit ein paar Tischen, einer großen Theke, Dartscheiben und – ohne Küche.
Ich weiß auch nicht, ob dort überhaupt effektiv etwas zu Essen angeboten wird. Das ist aber egal denn entscheidend ist die Erlaubnis dazu.

Die NRW-Verordnung sagt hier in §9 Nr. 1:
„(1) Der Betrieb der folgenden Einrichtungen und Begegnungsstätten sowie die folgenden Angebote sind untersagt:
1. Bars…“ 

In Paragraph 14 Abs. 1 heißt es zudem
„Beim Betrieb von Restaurants, Gaststätten, Kneipen, (…) sowie anderen Einrichtungen der Speisegastronomie sind (…) Hygiene- und Infektionsschutzstandards zu beachten.“

Die Formulierung  „sowie anderen Einrichtungen der Speisegastronomie“ weist hier darauf hin, dass die vorher genannte Kneipe ebenfalls eine Einrichtung der Speisegastronomie ist. Sie bedarf demnach einer Speisekonzession.
Das führt zur paradoxen Situation, dass theoretisch die kleinste Kneipe NRWs öffnen dürfte solange sie eine Speisekonzession besitzt während wir mit 140m² Gastraum und viel Platz zum Ausweichen – aber eben ohne Speisekonzession – geschlossen bleiben müssen.

Und wieso?

Ja, das ist hier die Frage…
Die Einschränkungen unter denen man (auch mit der Konzession) wieder öffnen darf sind sehr umfangreich. Ansteckungsrisiken werden darum weitestgehend vermieden. Dabei ist mir nicht ersichtlich, wieso ein Restaurant in der Lage sein solltw, diese einzuhalten, eine Bar aber nicht.
Die Regeln beinhalten unter anderem:

  • 1,50 Meter Abstand von Stuhllehne zu Stuhllehne
  • Kein freies Hinsetzen sondern „Please wait to be seated“ Beschilderung in jeder (!) Gaststätte
  • Die Aufzeichnung und Speicherung der Personendaten (Name, Adresse + Telefonnummer) zur Nachverfolgung
  • maximal Personen aus zwei Haushalten pro Tisch sitzen
  • beim Herumlaufen herrscht Maskenpflicht, am Tisch selbst darf die Maske abgenommen werden

Wieso darf eine Gaststätte mit Speisekonzession unter diesen Auflagen öffnen, eine Bar ohne Speiseangebot aber nicht. Haben andere Kneipen keine Tische? Kann man in einer Kneipe nicht mit Maske herumlaufen? Kann man sich mit Messer und Gabel besser gegen Coronaviren verteidigen?

Lohnt sich das Öffnen überhaupt

Hier muss man deutlich nach Gastro-Konzept differenzieren.
Imbisse können öffnen und verlieren mangels vieler Sitzplätze kaum Potenzial. Sie können auch weiterhin nur „to go“ verkaufen und haben durch den reduzierten Mehrwertsteuersatz (7 statt 19%) eventuell sogar höhere Gewinne als vorher. Dazu eventuell auch insgesamt mehr Umsatz weil nicht die gesamte Konkurrenz in der Lage ist, so schnell ihr Konzept umzustellen.
Bei kleinen Restaurants in denen nun statt vier vielleicht nur noch 3 Tische stehen sind die Umsatzrückgänge eventuell auch überschaubar.

Bei jeder Gaststätte die auf viel Fläche und Sitzplätze setzt sieht das ganz anders aus. Eine Bar wie unsere hat hohe Kosten aufgrund der großen Fläche die beleuchtet und beheizt/gekühlt werden muss. Auch die Kühlung der Getränke ist auf große Menschenmengen ausgelegt und kann oft nicht einfach verringert werden denn einen Kühlkeller baut man nicht einfach kleiner. Auch kostet ein großer Laden in einer attraktiven Gegend natürlich entsprechend viel Miete.
Und nicht zuletzt: in einer Bar werden nicht nur die Tische genutzt. Wenn die Tische voll sind stehen nochmal 20 Leute an der Theke oder sonst irgendwo und unterhalten sich bei einem Bierchen. Das geht nun nicht mehr denn einfach so herumstehen darf man nicht.
Wenn also nur noch 50% der Tische möglich sind bedeutet die aktuelle Situation effektiv einen Rückgang der Gesamtanzahl an Personen im Laden von deutlich über 50%!!!

Die Antwort auf die Frage ob sich das Ganze noch lohnt wandelt sich also bei einer Bar wie meiner von einem „das kommt darauf an“ zu einem ziemlich deutlichen „Nein“.
Selbst mit Kurzarbeit, komplettem Umstieg auf billigere Minijobber und allen andere möglichen Kürzungen kann man Umsatzrückgänge von über 50% nicht so einfach ausgleichen. Erstrecht nicht in einer Branche wie der Gastronomie die mehr von Passion als von hohen Erträgen lebt.

2020 geht es nicht um hohe Gewinne

Mein Fazit ist daher ernüchternd:
Dieses Jahr geht es nicht um hohe Gewinne. Es geht noch nicht einmal um Gewinne an sich. Die macht 2020 wahrscheinlich keine Bar. Und wenn dann verbeuge ich mich tief und möchte wissen, wie.
Im Jahr 2020 geht es in der Gastronomie – und besonders bei Bars – ums Überleben. Darum lohnt sich auch das Öffnen bei Einschränkungen. Denn wenn ich ein paar Umsätze mache und spare wo ich kann mache ich geringeres Minus als aktuell.
Ohne jeglichen Umsatz und mit laufenden Kosten von 12000 Euro mache ich logischerweise 12000 Euro Minus.
(Ja das sind meine echten Zahlen. Ich habe NOCH keine meiner Festangestellten gefeuert und hoffe, dass das so bleibt. Mit Löhnen und Pacht sind meine Kosten bereits fünfstellig.)
Mache ich nun 10000 Euro Umsatz habe ich keine 12000 Euro Minus mehr. Dadurch überlebe ich mit meinen Reserven deutlich länger.
(Diese Rechnung ist natürlich grob vereinfacht weil davon wieder ~2500 Euro Wareneinsatz sind, 1900 ans Finanzamt gehen und wieder höhere Kosten für Strom, Wasser usw dazu kommen) 

Im FAQ des Landes NRW fand sich Anfang Mai übrigens noch folgende Passage:
„Ab 30. Mai: Die Ausübung von Sportarten auch mit unvermeidbarem Körperkontakt und in geschlossenen Räumen wird wieder gestattet“

Anhänger von Ringen, Boxen sowie anderen Kontaktsportarten durften sich also darauf freuen, ab Juni wieder mit eventuell COVID19-Infizierten zu schwitzen. Diese Passage ist so aktuell nicht mehr zu finden.
Definitiv öffnen dürfen allerdings Thermen, Saunen oder Spaßbäder. Nackt neben Fremden zu Schwitzen ist also durchaus denkbar – bei einem Virus das sich per mit Tröpfcheninfektion verbreitet.
Aber wehe man sitzt in einer Kneipe 1,50 Meter von einem anderen Gast entfernt.
Außer die Kneipe bietet Essen an. Dann ist alles gut…

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