Gastronomie in Corona Zeiten – ein Blick in die Zukunft

Wie kann Gastronomie in Corona Zeiten aussehen? Welche Maßnahmen können kommen und welche Auswirkungen könnten sie haben?

Wie wir im aktuellen Lockdown mit der Krise umgehen habe ich bereits im ersten Corona-Update-Post sowie in unserer auch hier geposteteten Pressemitteilung geschrieben.

In den vergangenen Wochen denke ich vermehrt darüber nach, wie sich der Rest des Jahres auf die Gastronomie auswirken wird.
Je mehr ich das tue umso düsterer erscheint mir alles. Es kommen aber auch neue Ideen, wie das ganze aussehen könnte. 

Hygienevorschriften

Wovon man definitiv wird ausgehen können sind wohl zusätzliche Hygienevorschriften. Eine Gastronomie in Corona Zeiten muss diese Bestimmungen nicht nur befolgen sondern sie auch deutlich sichtbar nach außen tragen denn viele Personen werden verstärkt darauf achten!
Die Bewerbung der Hygiene könnte ein ganz neues Marketing-Instrument werden (bzw. ist es jetzt schon z.B. in Supermärkten).
Dazu wird bei uns zum Beispiel der Verzicht auf unsere Handtrockner und die Rückkehr zu Papierhandtüchern gehören.
Natürlich bedeutet das auch den Kauf von Papierhandtüchern, und Haltern dafür, größere Papierkörbe auf den Toiletten und mehr Müll. Aber auch wenn unserer Handtrockner entgegen so mancher Annahmen keine „Bazillenschleudern“ sind: Papierhandtücher sind leider die hygienischere Alternative. 

Weiterhin überlegen wir die Möglichkeit, an manchen Orten in der Bar Spender mit Hygienegel aufzustellen.
Deren Nutzung ist zwar eigentlich nicht nötig solange sich Menschen oft und gründlich genug die Hände waschen, würden aber trotzdessen eine mögliche Ausbreitung von Coronaviren beschränken.
Die Spender sowie das Gel stellen jedoch hohe Kostenfaktoren dar, weshalb wir uns hier noch nicht einig werden konnten. 

Wo es richtig teuer wird

Wir überlegen ebenfalls, ob eine Anbringung von Plexiglas – wie man sie  bereits aus Supermärkten kennt – sinnvoll wäre. Und wie man eine solche umsetzen könnte.
Eine Wand zwischen Barkeeper und Gast gehört definitiv zu den Maßnahmen die ich am liebsten vermeiden würde. Denn gerade an ruhigen Tagen lebt eine Bar auch von Gesprächen an der Theke. Diese würden definitiv nicht einfacher und durch die Glaswand auch irgendwie unpersönlicher.

Gerüchteweise hört man zudem von der Überlegung in einigen Bundesländern, eine Wiedereröffnung der Gastronomie in Corona Zeiten solle nur mit maschinell gespülten Gläsern erlaubt werden.
Das hieße im Klartrext, dass Gläser nicht mehr von Hand gespült werden dürften sondern nur noch mit dafür vorgesehenen Spülmaschinen.
Wer sich damit nicht auskennt: solche beginnen preislich bei etwa 2000 Euro (ohne MwSt) – passende Körbe für die Unterbringung der Gläser noch nicht mit einberechnet.
Wo eine solche Spülmaschine bei uns in der Theke untergebracht werden sollte ist mir bisher ein Rätsel. Auch Wasserzu- und -ablauf fehlen uns aktuell an allen noch denkbaren Stellen und sind auch nicht „mal eben“ zu verlegen da ein Ablauf z.B. immer abschüssig sein muss.

Abstandsregelungen in Bars

Beginnen wir diesen Abschnitt mit einer ganz klaren Ansage:
eine Bar lebt vom Wochenende und von einer großen Menge an Personen.
Mit den vergleichsweise ruhigen Wochentagen kann man eine Bar wie unsere nicht finanzieren. Wir haben 240m² Gesamtfläche in einem zentralen Party-Viertel mitten in Köln. Das kostet ordentlich Miete. Und gerade eine Gaming-Bar hat mit Konsolen, PCs, den benötigten Spielen & Controllern sowie fetten Klimaanlagen noch so einige andere Kostenfaktoren.
Zum Überleben braucht eine Bar die vollen Wochenende an denen über einen Abend hinweg +100 Gäste kommen und jeder einen zweistelligen Betrag ausgibt.
Mit Abstandsvorgaben wird diese Anzahl natürlich drastisch reduziert. 

Solche Vorgaben würden auch ebenfalls zu Problemen bei diversen zukünftigen Events führen.
Die Werwolf-Events bei uns sind auch darum so besonders weil es Runden mit bis zu 30 Spielern gibt. Da diese alle direkt nebeneinander sitzen wäre dies so natürlich nicht mehr umsetzbar.
Unsere sechs PCs werden so nicht mehr stehen bleiben können denn die Personen sitzen normalerweise recht nah nebeneinander. 
Einige Tische und Stühle müssten wohl weggeräumt werden. Das bedeutet, dass auch beim Nerdquiz oder Pen & Paper Abend viel weniger Gäste zugelassen werden können.
Zudem führt das Wegnehmen von Tischen und Stühlen zu einem Folgeproblem, denn diese müssen nun irgendwo gelagert werden. Eine Bar wie unsere wird nun ganz plötzlich mind. zehn Quadratmeter mehr Lagerplatz benötigen. Wo soll man den so plötzlich her bekommen…?

Dazu fallen – neben Großevents und ihrer Besucherströme zu Zeiten von Gamescom, ESL One usw – auch viele andere Events aus. Es wird weniger Junggesellenabschiede, Geburtstagsparties, Launch- und Community-Veranstaltungen geben. Und wenn sie doch stattfinden wird es leer(er).

Personenbeschränkungen

Eine Alternative zu Abstandsregelungen sind Personenbeschränkungen. Also z.B. nur noch eine Person pro 10 m² Gastraum. Das ist zumindest das was man aktuell gerüchteweise hört. Im Einzelhandel gibt es bereits Vorgaben von bis zu 20m² pro Gast. Das liefe bei uns auf 14 oder sogar sieben Personen im ganzen Laden heraus. Eine getränkebasierte Gastronomie in Corona Zeiten mit nur so wenig Gästen durchzubringen halte ich schier für unmöglich. Bei dem Strom und der Kühlung die wir benötigen (+ Personalkosten) ist eine Öffnung in einem solchen Fall ein Minusgeschäft. Wir denken schon jetzt darüber nach, ob wir langfristig eventuell wieder von unserem grünen Strom (bürgerwerke über energiegewinner) abweichen zu müssen denn der war Luxus in Zeiten als es uns gut ging…

Die Gastronomie in Corona Zeiten wird anders. Aber wie?

Kartenzahlung

Einen Schritt weg von Bar- zu Kartenzahlung sehen wir jetzt schon. Darauf sind wir, da wir seit Jahren Kartenzahlung anbieten, schon vorbereitet.
Die Einschränkung auf feste Verkaufspunkte z.B. durch Plexiglaswände mit nur wenigen „Löchern“ könnten diese Vorgänge sogar beschleunigen.
Weniger Barzahlung heißt weniger Geld das gestohlen werden kann, weniger Verzählen, weniger Verrechnen, etc etc. Ich bin grundsätzlich dafür! Trotzdem bedeutet auch dies Zusatzkosten denn die Services und Terminals gibt es logischerweise nicht gratis.

Einlasskontrollen, Eintritt und Mindestverzehr

Gehen wir einmal von folgendem Szenario aus:
In ein paar Wochen/Monaten dürfen die Bars wieder öffnen dürfen. Allerdings wird der Gastronomie in Corona Zeiten vorgeschrieben, nur 50% ihrer Kapazität nutzen zu dürfen.
Gleichzeitig wollen 80% der früheren Gäste wieder feiern gehen (ein paar haben Angst, einige Angehörige einer Risikogruppe zuhause, etc).

Wie kontrolliert man denn die Anzahl der Gäste in seinem Lokal? Ich denke um solche Beschränkungen umzusetzen werden viele Bars Sicherheitspersonal bzw. Türsteher beschäftigen müssen. Auch das sind wieder zusätzliche Kosten!
Ich kann mir auch vorstellen dass es im Laufe des Jahres normal wird, Eintritt für Bars zu nehmen, selbst an ganz normalen Wochenendtagen. Denn bei 50 Prozent weniger Gästen und den vielen Mehrkosten (insb. Türsteher) muss man darauf achten, zahlungsfähige Gäste im Laden zu haben. Gäste, die man früher noch im Laden gelassen hat auch wenn sie in acht Stunden nur eine Cola trinken können dieses Jahr den Ruin bedeuten. Jeder Platz im Laden ist plötzlich doppelt so viel wert wie noch vor wenigen Monaten – 2020 wird man auf so etwas keine Rücksicht mehr nehmen können. Der ein oder andere Stammgast wird sich ganz schön umschauen und eventuell für immer verprellt…
Ich könnte mir vorstellen, dasss manche Bars sogar wie Clubs auf Stempelkarten o.ä setzen werden.

Auch denke ich, dass Reservierungen nur noch gegen einen vereinbarten Mindestverzehr vergeben werden. Aktuell sind diese bei uns gratis aber wenn z.B. eine Gruppe von zehn Leuten einen ganzen Abend über feiert, einen Großteil der verfügbaren Kapazitäten einnimmt und dann nicht entsprechend Umsatz generiert ist man mit Laufkundschaft besser bedient. (Insider-Knowledge: Das ist man bei Feiern sowieso oft weil meist nur der Gastgeber zahlt und sich das naturgemäß in Grenzen hält. Aber auch so etwas konnte man sich früher eben leisten.)

Erhebliche Folgeprobleme durch Kioske

Wollen die Leute nun zurück in ihre Stammbar, die aber aufgrund der Beschränkungen bereits „voll“ ist, werden sie wohl erstmal in der Gegend verweilen. Ist ein Kiosk in der Nähe – und dies ist in jedem Kneipenviertel der Fall – wird dieser regen Zulauf erhalten.

(Hier ein kleiner Exkurs:
Kioske sind für Gastwirte seit Jahren ein zunehmendes Problem. Aufgrund ihrer geringeren Kosten (kein Service, vergleichsweise geringe Miete, keine Toiletten, wenig Personal, geringe Stromkosten, etc) können Bars mit Kioskpreisen niemals mithalten.

Dafür trinken die Kiosk-Gäste mangels Platz im Kiosk natürlich auf der Straße oder mit dem Kiosk-Bier sogar vor der Kneipe in die sie gleich wollen. Kneipen bekommen oft Ärger wegen Ruhestörung durch Personen die bei ihnen noch nicht einen Cent ausgegeben haben und das z.T. nicht einmal vorhaben. Auf dem Hamburger Kiez gab es darum sogar bereits groß angelegte Aktionen der ansässigen Gastro unter dem Namen „Der ganze Kiez ein Kiosk“.)

Dieses Problem wird sich vervielfachen denn 80% Gäste passen nicht in Bars mit 50% Kapazität. Die Leute werden aber trotzdem in die Kneipenviertel strömen und sie werden trinken wollen. 
Gerade in den Sommermonaten sehe ich hier ein enormes Lärm- (und ggf. auch Müll)-Problem auf uns zukommen. Vor allem weil ich mir vorstellen kann, dass so manche Bar eine Art „Fensterverkauf“ einrichten wird um darüber weitere Umsätze zu erzielen. Und ja, auch wir sitzen bereits an solchen Plänen denn am Ende macht man doch vieles bevor man Pleite geht…

Und wer bezahlt das alles?

Eine gute Frage. Denn all diese Maßnahmen kosten Geld. Eine Gastronomie in Corona Zeiten wird deutlich teurer werden als früher.
Papierhandtücher kosten mehr als der Strom für die Handtrockner, dazu kommen einmalige Anschaffungen für Mülleimer, Handtuchhalter und natürlich deren Montage. 

Plexiglas und Gelspender sowie ihre Montage kosten ebenfalls und bei der Spülmaschine wird es ganz schnell ein mittlerer vierstelliger Betrag, vor allem wenn man hier noch zu- und Abwasser verlegen muss. Ich habe wegen letzerem schon mit unserem Vermieter bezüglich neuer Kernbohrungen gesprochen die auch direkt vierstellig kostet…

Letztlich kommen zusätzliche Personalkosten dazu, da ein stetiger Mehraufwand auftreten wird. Papierhandtücher müssen nachgefüllt und Mülleimer geleert werden, Plexiglas geputzt, Spülmaschinen befüllt, geleert und gewartet werden. Falls Einlasskontrollen nötig werden ist auch hier eine weitere Person notwendig.
Die Personalkosten – sowieso schon der größte Kostenfaktor in der Gastronomie – wird hier nochmal ansteigen und die Kneipen werden um Preisanhebungen kaum herum kommen.

Das Einsparpotenzial ist leider gering

Letztlich muss man sagen, dass man an manchen Ecken natürlich auch sparen kann. Weniger Tische bedeutet weniger Arbeit beim Putzen. Weniger Menschen bedeutet zumindest im Sommer weniger Arbeit für die Klimaanlagen oder einen niedrigeren Wasserverbrauch. Dafür steigen im Winter die Heizkosten.
Eventuell kann man bei den Personalkosten etwas sparen weil man am Wochenende nur noch zwei statt drei Schichten fährt. (Die dafür allerdings deutlich stressiger werden als die Dreier-Schichten zuvor.) Werden Einlasskontrollen notwendig hat sich diese Ersparnis allerdings wieder erübrigt.

Leider sind dies alles Faktoren, die nicht komplett wegfallen. Sie fallen nur noch teilweise an und normalerweise werden die höheren Kosten durch deutlich höhere Umsätze kompensiert.
Ob man nun 20 oder 15 Minuten putzt ist relativ egal. Ob man am Samstagabend allerdings 1000 statt 2500 Euro Umsatz in der Kasse hat macht einen enormen Unterschied.
Die Senkung der Umsatzsteuer für die Gastronomie von 19 auf 7 Prozent macht hier einen deutlichen Unterschied, ich bezweifle allerdings  stark, dass dies ausreichen wird, um die Branche dieses Jahr zu retten.

Gastronomie in Corona Zeiten – mein Fazit

Das sind natürlich alles nur Vermutungen. Aber grundsätzlich habe ich diesen Blog für mich und genau für so etwas angefangen: um mir umfangreich Gedanken zu machen über Abläufe, Probleme oder genau solche Situationen.

Ich befürchte, dass sich vieles mindestens für 2020 und wahrscheinlich bis Mitte 2021 ändern wird. Die Stimmung, die Geschäftsmodelle, die gesamte Gastronomie in Corona Zeiten wird eine andere sein als wir sie bisher kannten.
Und viele werden ihre Jobs verlieren. Bei uns sind es jetzt schon alle Aushilfskräfte da ich versuche, meine Festangestellten durch zu bringen. Andere Betriebe werden das anders handhaben und versuchen, mit möglichst vielen Aushilfen die teuren Sozialabgaben zu sparen. Und das in einer Branche, die sowieso schon viel zu viel solcher Aushilfsjobs beherbergt. Die Qualität wird dadurch in vielen Betrieben leiden.
Inwiefern eine solche Entwicklung wieder zurückgedreht wird bleibt abzuwarten.

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