Zur Kassenbon Pflicht seit dem 1.1.2020

Seit 1.1.2020 herrscht im deutschen Handel die Pflicht, jedem Gast einen Kassenbon anzubieten. Nach einem Antwort auf einen Tweet zum Thema kam ich in einen kleinen Shitstorm. Dort las ich mehrfach, das würde ja nur die richtigen treffen und so viel Aufwand wäre das ja auch gar nicht und und und…

Zunächst: das Gesetz trifft sicher auch die richtigen. Da wird viel am Fiskus vorbei geschmuggelt. Aber da elektronische Kassensysteme immer noch nicht verpflichtend und offene Kassen immer noch erlaubt sind trifft es die wirklich schwarzen Schafe dann wohl doch wieder nicht. Denn ohne Kassensystem auch keine Bonpflicht und eine offene Kasse mit normalen Kassenbuch ist quasi nicht zu kontrollieren.

Stattdessen haben aber alle aufrichtig buchenden Nutzer eines Kassensystems nun erheblichen Mehraufwand und Kosten. Von den Unmengen an überflüssigem Müll ganz zu schweigen.

Ein bisschen zu meiner Situation:
ich betreibe eine Gaming-Bar. (Mehr Infos zu mir und der Bar gibt’s hier)
Eine Bestellung bei uns lautet regelmäßig „ein kleines Kölsch bitte“. Das kostet bei uns aktuell 1,60 Euro.
Wir haben seit 2016 ein elektronisches Kassensystem und auch einen Bondrucker. Wenn Gäste einen Kassenbon wollten haben sie seitdem auch einen haben können. Das kommt aber quasi nur bei Geschäftskunden alle paar Wochen vor. Darum betrug unser Verbrauch seit 2016 etwa zehn Rollen. Insgesamt. In über drei Jahren.

Nun rechnen wir mit 16 Rollen. Pro Monat. Das werden wohl um die 14 Kilometer Bonpapier im Jahr. Allein in unserem einen Betrieb. Und haben möchte diese Bons so gut wie niemand.

„Bei meinem Bäcker bekomme ich den Kassenbon einfach per Email“

Aber gut, Gesetz ist ja Gesetz und man sucht nach Lösungen. Da erzählen dann diverse leute auf twitter, dass jeder Wald- und Wiesenbäcker bei ihm um die Ecke das schon seit Jahren hat. Glaub ich ungesehen in einem Land in dem du auf dem Dorf nicht einmal Internet bekommst und selbst in teuren Restaurants keine Kartenzahlung möglich ist 😉

Aber gut. Quittungen per Email verschicken kann unser Kassensystem auch. Nur würde der Ablauf dann ungefähr so aussehen:
– der Barkeeper fragt bei jeder Bestellung „Papier oder elektronisch“
– nachdem der Gast sich entschieden hat – was je nach Gast gerne auch mal 10 Sekunden dauern kann – muss er die Email-Adresse des Gastes annehmen
(hier meinten auch Personen auf twitter, die Herausgabe von Daten wie Email-Adressen dürfe ohne schriftliche Einwilligung nicht im Beisein von Dritten erfolgen. Bin da kein Experte, vielleicht möchte sich jemand dazu äußern?)
– er tippt sich durch das Menü des Kassensystems, gibt die Email ein und verschickt die Quittung

Dass der Gast sie selbst eingibt ist nicht umsetzbar, unsere Tablets sind hinter der Theke, würden wir sie ständig von den Halterungen abbauen dauert der Vorgang noch länger und Halterungen, Kabel & Ladebuchsen würden stark darunter leiden.
Wir reden hier also mindestens von 30 Sekunden Mehraufwand, vielleicht auch mehr. Pro Bestellvorgang!
(Von weiteren ggf. bestehenden datenschutzrechtlichen Hürden weil das Kassensystem eventuell IRGENDWO diese Email-Adresse speichert fange ich gar nicht erst an.)

Nun haben wir zu Stoßzeiten deutlich über 100 Bestellungen pro Stunde. Wenn man jetzt auch nur mit 30 Sekunden Mehraufwand pro Bestellung rechnet endet man bei 50 Minuten Mehraufwand. In einer Stunde. In den verbleibenden zehn Minuten macht man die +100 Bestellungen aber nicht. Die Rechnung geht also ganz und gar nicht auf. Also fallen Bestellungen (und damit Umsatz) weg. Oder die Leute warten. Ein absoluter Wahnsinn wenn man bedenkt, dass eine Bestellung bei uns bisher (mit komplettem Bezahlvorgang und Wechselgeld) auch in unter 15 Sekunden von statten gehen kann.

Das Eingeben von Email-Adressen ist darum absolut nicht umsetzbar. Denn genau dann wenn es richtig voll ist verdient man am meisten. Gerade diese Stoßzeiten werden aber durch solche zusätzlichen Schritte verzögert – und dann kann selbst eine geringe Verzögerung im Ablauf schnell dreistellige Verluste pro Abend bedeuten.
Geringe Verluste wird auch jeder Betrieb jetzt schon durch einfaches Herausgeben des Bons erwarten können. Denn auch 100 mal fünf Sekunden sind ein paar Minuten die weniger sind um Getränke zu verkaufen… Da kommen über’s Jahr auch ein paar Hundert Euro zusammen – deren Steuern dann übrigens dem Fiskus fehlen 😉

„Bei real geht das einfach über die Kundenkarte“

Auch das habe ich gehört. Die Karte wird wahrscheinlich an der Kasse mit den payback-Punkten gescannt und der Kassenbon kommt per Email.
Dafür brauche ich dann nur leider also ein solches System. Kundenkarten herstellen und bespielen, ein Kassensystem das so etwas unterstützt, das technische (und wieder datenschutzrechtliche) Wissen um all das anständig umzusetzen… Das macht ein kleiner Betrieb nicht mal „so eben“.

Abgesehen von Kosten und Aufwand käme man bei dieser Option auch zu dem Ergebnis, dass bald jeder zig Kundenkarten herumschleppt damit keine Bons gedruckt werden müssen. Von den drei vier Bäckerketten die es so gibt, von vier Supermärkten, drei Kaffeeketten, diversen Tankstellen, Apotheken, und und und…

Digitalbon & Kassenbon per QR Code

Einige Betriebe nutzen wohl inzwischen Systeme, bei denen die Quittung digital auf dem Kundendisplay angezeigt wird. Dort kann der Gast z.B. einen QR Code scannen und bekommt die Quittung digital aufs Smartphone.
Klingt gut – wenn man so ein Display schon hat. Haben wir aber eben nicht. Außerdem bestellen die Gäste bei uns nicht wie bei McDonald’s immer an der gleichen Stelle, sondern mal hier und mal da an der 9 Meter langen Theke. Wir bräuchten also wahrscheinlich mehrere solcher Displays.
Aber was, wenn zwei Sekunden später die nächste Bestellung durchrauscht und die erste Quittung weg ist weil die zweite angezeigt wird? Oder kann man „zurückblättern“ zur vorigen Quittung? Was bedeuten würde, dass für andere Gäste nachvollziehbar wäre, was der Gast davor bestellt hat. Ist das datenschutzkonform?

Strom bräuchte man an den entsprechenden Stellen natürlich auch. Und Kabel und Halterungen. Und das in einem Thekenbereich der ständig feucht geputzt werden muss, wo Getränke über die Theke gereicht werden müssen und wo auch gerne mal ein Drink umgestoßen wird.
Dass unser Kassensystem nur Geräte von Apple unterstützt und ein paar zusätzliche iPads (wohlgemerkt lediglich zum Anzeigen einer Quittung!!!) auch nicht super günstig sind ist da fast noch das kleinere Problem.

Nun gibt es wohl diverse externe Dienstleister wie z.B. GreenBill , bon-online oder digibon, wo das Kundendisplay quasi als digitaler Bon fungiert. Dort steht exakt das, was auch auf dem physischen Bon stehen würde. Inklusive QR Code zum Scannen wodurch der Kunde den Kassenbon aufs Smartphone bekommt.
Logischerweise kostet der Service monatlich Geld. Da die Preise nicht öffentlich einsehbar sind weiß ich bisher nur zwei Preise:
1.) ~50 Euro/Monat. Das ist zumindest in unserem Fall mehr als wir für Bons ausgeben würden und sich der Gastronom wieder entscheiden muss ob er ökologisch oder ökonomisch handeln will.
2.) Nur 12 Euro/Monat pro Gerät. Leider gibt es das bisher für quasi keine Kassensysteme und ist damit kaum nutzbar. Und definitiv nicht für uns.

Ein letztes kleines Problem: wenn man einmal die Wahl „Papier oder digital“ anbietet muss man das automatisierte Drucken von Bons natürlich deaktivieren. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass es zusätzlichen Aufwand benötigt, wenn ein Gast den Bon dann doch auf Papier haben möchte. Quittung im System suchen, drucken, Kassenbon holen, aushändigen, etc. Offensichtlich ist dieses Problem aber vernachlässigbar da wie gesagt sowieso fast kein Gast eine Quittung möchte.

Und was wäre die Alternative?

Eine Pflicht, manipulationssichere Kassensysteme zu nutzen. Die Daten werden in der Cloud gespeichert. Wird eine Quittung gelöscht (z.B. wegen Vertippens) bleibt sie als „gelöscht“ sichtbar. Unser Kassensystem macht das so. Seit Jahren.
Trotzdem sind auch solche manipulationssicheren Kassensysteme vom neuen Gesetz betroffen während Betriebe ohne Kassensystem und mit offener Kasse gar keine Bonpflicht trifft. Wüsste gern, welche Bonrollen-Hersteller da irgendwelchen Politikern/Parteien Geld gespendet haben 😉

Und klar, auch mit manipulationssicherem System kann man immer noch Sachen einfach gar nicht verbuchen. Aber einen Generalverdacht der Steuerhinterziehung gegen den gesamten Einzelhandel finde ich hart. Naja, den cum-ex-Skandal bekommt man wegen Personalmangels nicht gelöst… Eine Pflicht zum Kassensystem mit regelmäßigen Kontrollen durch das Finanzamt (Bestellung + spätere Kontrolle ob die Bestellung auch verbucht wurde) würde da meiner Meinung nach deutlich mehr bringen!

Ihr hattet vier Jahre Zeit euch darauf vorzubereiten

Ja das stimmt anscheinend. Nur gibt es uns noch nicht einmal vier Jahre 😉
Und wir sind noch immer „neu“ in dieser Branche und lernen. Keine Ahnung, in welchen Netzwerken man drin sein muss, um früher als vor dem öffentlichen Shitstorm (zwei Wochen vor Inkrafttreten) davon zu erfahren. Die Mitgliedschaft im dehoga hat uns nicht geholfen, vielleicht haben wir eine entsprechende Meldung aber auch nicht gesehen…

Und was macht ihr jetzt?

Wir diskutieren das noch intern. Es ist kompliziert…

Bons sind scheiße. Es ist ein unglaublicher Berg an Müll der hier anfällt. Und wir müssen den Kassenbon holen und herausgeben. Wahrscheinlich bräuchten wir einen zweiten Bondrucker um den Vorgang zu optimieren, Laufwege hinter der Theke zu verkürzen, etc.

Der Digitalbon per Kundendisplay scheint eine nette Alternative. Allerdings hätten wir damit zunächst eine ordentliche Grundinvestition für neue Hardware und darüber hinaus weitere regelmäßige Kosten. Dazu nerven sie im Barbetrieb denn sie müssten zwischen Kunden und Barkeeper angebracht werden. Also genau da wo man sich halt auch gern mal unterhält, wo das Bier herüber gereicht wird, etc. Die Dinger sind da im Weg!

Wir überlegen darum auch, den Bondrucker an eine Stelle auf der Theke zu stellen, an die der Gast heran kommt. Das nimmt uns die Arbeit ab, den Bon zu holen und zu übergeben weil der Gast sich den Bon einfach selbst nehmen kann. Da unser Bondrucker leider auch für das Öffnen der Kasse zuständig ist heißt das mindestens neue Kabel, wahrscheinlich aber ein zweiter Drucker.

Eine finale Entscheidung steht noch aus. Bisher wird bei uns gedruckt wie bisher. Nur eben tausendfach mehr…

Wir überlegen darum auch, den Bondrucker an eine Stelle auf der Theke zu stellen, an die der Gast heran kommt. Das nimmt uns die Arbeit ab, den Bon zu holen und zu übergeben weil der Gast sich den Bon einfach selbst nehmen kann. Da unser Bondrucker leider auch für das Öffnen der Kasse zuständig ist heißt das mindestens neue Kabel, wahrscheinlich aber ein zweiter Drucker.

Eine finale Entscheidung steht noch aus. Bisher wird bei uns gedruckt wie bisher. Nur eben tausendfach mehr…

EDIT: Ein Nachtrag nach der ersten Woche

Nachdem wir bereits diverse Rollen verbraucht haben (ich habe nicht exakte gezählt aber bei vier Rollen sollten wir nach den ersten acht Tagen liegen) ist uns ein weiteres Problem aufgefallen:
THEORETISCH müssten wir nun jede Bestellung einzeln eingeben.

Für Nicht-Gastronomen eine kleine Einführung:
Manchmal nimmt man hinter der Theke zwei oder mehr Bestellungen gleichzeitig an. So sieht man, welche Bestellung schneller geht (eine Flasche Cola dauert zwei Sekunden, fünf Cocktails ein paar Minuten) und kann die schnelleren Bestellungen vorziehen. So verkürzt man grundsätzlich die Wartezeit für alle. Man packt alle Bestellungen schnell ins Kassensystem, arbeitet sie nacheinander ab, sammelt das Geld ein und verbucht später alles zusammen.
Das geht nun nicht mehr denn jede Bestellung braucht ja ihren eigenen Bon. Also kommt neben der Bon-Herausgabe auch noch eine komplette Umstellung dazu denn statt einmal tippt und bucht man jetzt drei mal. Und druckt natürlich auch drei mal das Firmenlogo und alle anderen Daten, die halt so auf einen Bon müssen 😉
Eine Umstellung unter der der Kunde leidet – denn drei mal buchen dauert mindestens drei mal länger – sowie natürlich der Betrieb weil jede Sekunde, in der der Angestellte am Tablet hängt, er keinen weiteren Umsatz generieren kann.
Würden wir bei uns im Betrieb mit Zwang zu Mitarbeiter-Profilen arbeiten – also dass jeder Angestellte zwingend nur sein Profil nutzt und dieses sich automatisch nach einer Bestellung ausloggt – käme auch noch jedes Mal eine neue Anmeldung mit PIN-Eingabe hinzu.

Und zum Digitalbon

Die Recherche bzgl. digitaler Bons über unser Kassensystem hat übrigens ergeben, dass wir ein solches Kundendisplay einrichten können. Wir benötigen „nur“
– ein weiteres iPad (Kostenpunkt mind. 380 Euro)
– eine (diebstahlsichere!!!) iPad-Halterung (ab ~120 Euro)
– eine Idee, wo wir das Ganze hin packen wollen
– Stromversorgung an der entsprechenden Stelle (wofür die mitgelieferten Kabel niemals ausreichen)
– die Zeit, das Ganze aufzubauen, Kabel zu verlegen, anzuschließen, etc

Da eine Bonrolle bei uns knapp einen Euro kostet und wir mit ~16 Rollen/Monat rechnen hat sich das Ganze auch „schon“ nach zweieinhalb Jahren amortisiert. Kann natürlich auch gut sein, dass das Gesetz bis dahin gekippt ist und wir den Quatsch gar nicht mehr brauchen. Wir könnten das dritte iPad auch nicht in unserem Kassensystem-Tarif nutzen, dafür wäre ein Upgrade nötig das nochmal eine drei- bis vierstellige Summe pro Jahr verschlingt. Es wäre komplett überflüssig und wir müssten es (mit entsprechendem Verlust) wieder verkaufen.
Aber hey, laut twitter ist das ja alles immer „ganz einfach umsetzbar“…

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