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Der DCP 2019 – was falsch lief und was sich 2020 ändern muss

Wenn #derDCP19 plötzlich auf Twitter trendet und sogar eher branchenferne Seiten wie Spiegel-Online „eine Branche erniedrigt sich selbst“ titeln muss einiges schief gelaufen sein.
Während sich der Shitstorm zum DCP 2019 allerdings vorwiegend auf die Moderation durch Ina Müller fokussierte lag in meinen Augen noch vieles weitere im Argen.

Grundsatzfrage: Was will der DCP sein!?

Zunächst stellt sich aber die Frage: Was will der DCP überhaupt sein?
Ein Prestige-Event mit möglichst vielen „Promis“ und Politikern vor Ort? Eine Verleihung die man jedem noch so branchenfremden Nicht-Gamer vorzeigen und sagen kann „sogar der Bundesverkehrsminister war da“?
Oder ein Preis aus der Branche für die Branche der tatsächlich auch die Branche feiert?
Letzteres wäre mein Verständnis und hier wurde dieses Jahr auf fast allen Ebenen gefailed.

Die Moderation

Am schwerwiegendsten war die Kritik am DCP 2019 an der Moderatorin Ina Müller. Sie ersetzte dieses Jahr Barbara Schöneberger. Beide mögen passend sein in dem was sie sonst tun und ich möchte ihnen gar nicht die Moderations-Qualitäten absprechen (obwohl Frau Müller in den ersten zwei Minuten den Namen des Events sowie den Hashtag verkackt hat). Eine raue, mit Schenkelklopfern vollgestopfte Moderation passt irgendwie in einen alkoholgeschwenkten Kneipentalk. Da schaut man auch weniger auf political correctness und unter der Gürtellinie ist einiges erlaubt. Ich behaupte mich da ein wenig auszukennen – ich betreibe selbst eine Bar 😉

Allerdings darf getrost bezweifelt werden ob es so einer Art von Moderation bedarf, wenn es sich um eine Gala handelt von der die Gewinner mit Preisgeldern in sechsstelliger Höhe nach Hause gehen (und für die sogar „festliche Kleidung“ als Dresscode vorgegeben wird). Bei der Stammtischrunde mögen Witze über Fettleibigkeit oder rassistische Anspielungen irgendwo ihren Platz finden. Tut man dies allerdings auf einer Preisverleihung, und das teilweise auch noch gegenüber Preisträgern, die man eigentlich nur beglückwünschen und ihre Rede halten lassen soll, vergreift man sich komplett im Ton und hat offensichtlich den Sinn der Veranstaltung nicht verstanden.

Ina Müller hat über den gesamten Abend hinweg Preisträger und Laudatoren beleidigt, im Wort unterbrochen und mit den verschiedensten Gamer-Klischees um sich geworfen bis es weh tat. Dass die Preisträger dabei noch über die schlechten Manieren der Moderatorin hinweggelächelt haben lässt vermuten, dass die angeblichen „Kellerkinder“ scheinbar die bessere Kinderstube genossen haben!

Diskriminierung als Teil einer Gala-Moderation im Jahre 2019?

Dass Dickenwitze und Lacher über die Hautfarbe von Gästen im Jahre 2019 vielleicht nicht mehr ganz so gut ankommen hätte sich auch Frau Müller denken können. Die ständigen Seitenhiebe auf die Gaming-Community tun hier aber vor allem weh weil Frau Müller eben nicht aus der Gaming-Community stammt. Das gleiche gilt auch für so manche Laudatoren (dazu später mehr). So hätte man die „Energy Drinks“ oder die Tatsache dass „doch nicht alle Gamer hässlich sind“ einem seit Jahren in der Szene Aktiven eventuell als „Selbstironie“ verziehen und vielleicht sogar darüber lachen können. Stattdessen wurde hier von einer Außenstehenden Witze über seit Jahren gegenüber der Community bestehende Vorurteile gemacht. So etwas kommt in einer Community meist so gut an wie ein Weißer der auf einer Bühne Schwarzenwitze erzählt. Nämlich gar nicht!

Das „Problem“ Ina Müller scheint für die Zukunft beseitigt aber es wirft die Frage auf, wieso für die Moderation – die in den Jahren davor auch von einer prominenten, aber eben nicht gaming-affinen Barbara Schöneberger besetzt war, nicht jemand passenderes gewählt wird.
Der in den Tagen darauf folgende eSports Summit wurde z.B. von Melek Balgün geleitet: einer ehemaligen eSportlerin die seit Jahren für die ESL, arte, Deutsche Welle und weitere diverse Produktionen (nicht nur aber vorwiegend) im Gaming-Bereich moderiert. Nur ein Beispiel aus einer Branche die mit zig talentierten Hosts, Castern und Influencern glänzt.

Hier scheint der Fokus klar aber auf dem Promistatus gelegen zu haben. Damit eben auch Opa versteht „Ach, die Ina Müller macht das? Dann muss das ja was großes sein.“
Doch selbst hier fragt man sich, wieso dann nicht auf jemand jüngeres zurückgegriffen wird. Waren Joko & Klaas zu teuer? Hatte Jan Böhmermann – die bildundtonfabrik die auch das Neo Magazin Royale produziert staubte immerhin mehrere Preise ab – keine Lust? Sind die Rocketbeans-Moderatoren trotz jahrelanger Fernsehsendung noch nicht fame genug?
Vielleicht zielten die Organisatoren aber auch einfach auf eine Zielgruppe ab, die eher dem durchschnittlichen ZDF-Zuschauer entspricht. Eine Erklärung wäre das – eine gute Begründung nicht.

Die Laudatoren

Die Kritik der „Branchenferne“ setzt sich bei der Wahl der Laudatoren konsequent fort. Während ein Großteil der Laudatoren aus der Politik kam – dazu mehr im nächsten Absatz – begannen andere D-Promi-Laudatoren ihre Rede quasi mit „ich hab ja eigentlich nichts mit Gaming zu tun, aber…“. Möchte man sich schon da die Hand vor die Stirn schlagen wird es nur noch schlimmer, wenn diese dann genau wie die Moderatorin mit schlechten Witzen und Gamer-Klischees um sich werfen. Da wird dann vermutet dass Gamer doch eher Serien bingen statt mal ein Buch in die Hand zu nehmen (Collien Ulmen-Fernandes) oder sich gewundert, dass doch nicht alle Gamer hässlich sind.
Einer Enissa Amani möchte man das noch nicht einmal vorwerfen: als Standup-Comedian sind rhetorische Tiefschläge ihr Job und man konnte so etwas erwarten. Trotzdem erscheint die Wahl mehr als zweifelhaft.

Dagegen wirkt ein Tobias Krell, er produziert Kinderfernsehen und übergab den Preis für das „Beste Kinderspiel“, noch als nahezu perfekte Besetzung denn er hat zumindest mit Mediengestaltung für Kinder zu tun und seine Laudatio schien vorbereitet zu sein.

Der Einfluss der Politik

Die Gamingbranche hat in Deutschland lange Zeit nicht das Ansehen genossen das sie verdient. Gerade die „Killerspiel“-Debatte und – im internationalen Vergleich – harte Jugendschutzgesetze haben die öffentliche Anerkennung (und damit einhergehende Fördergelder), die LAN-Szene sowie den eSport im internationalen Bereich weit zurückgeworfen.

Inzwischen hat dies auch die Politik verstanden und es ist gut, dass sich hier seit Jahren eine deutliche Änderung abzeichnet. Die höheren Fördergelder waren auch auf dem DCP wieder Gesprächsthema und auch die lebhafte Diskussion über die mögliche Anerkennung von eSport als Sport (sowie der Gemeinnützigkeit von eSport-Vereinen) ist zu begrüßen.

Die Preisverleihung einer Branche sollte allerdings keine Politikveranstaltung werden. Und auch wenn die Scharmützel die sich die Politiker von SPD und Union gegenseitig an den Kopf warfen teilweise amüsant waren politisierten sie ein Event das nicht politisch sein sollte. Direkt nach der Anmoderation hielten Doro Bär und Andi Scheuer einen gefühlt endlosen Dialog über den „Kampf um Fördergelder“, Digitalisierung, 5G und andere Schlagwörter, später wollte sich Lars Klingbeil natürlich nicht die Butter vom Brot nehmen lassen, es ging um zukünftige Verkehrsminister und und und… Solche Witzchen passen am politischen Aschermittwoch – hier ging es eigentlich um Computerspiele und um ihre Preisträger!

Die Musikacts

Die erste Musikauswahl – ein Brass Medley diverser Spielemelodien – war passend gewählt. Gänsehautfeeling war drin und jeder Gamer konnte ein bis zehn Lieder wiedererkennen. Eine Erfahrung die wir auch bei uns im Laden mit entsprechenden Songs und ihren Remixen regelmäßig machen.
Die zweite Auswahl dagegen lässt wieder die Frage auftauchen, ob die Organisatoren den Sinn und Zweck der Veranstaltung verstanden haben. Weder Namika noch ihre Lieder haben irgendetwas mit der Branche zu tun.
Eine Problematik die sich mir einfach nicht erschließt. Events wie „Video Games Live“ ziehen seit Jahren Zehntausende an. Selbst eSports Turniere vor zig Jahren hatten schon bessere, passendere und stilvollere Auftritte, Beispiel „IronSquid“ 2012, ein StarCraft 2 Turnier in Paris: https://www.youtube.com/watch?v=bir5xe5xhUs.

Auch hier wollte man offensichtlich wieder einen „Promi“ vor Ort haben. Und selbst da hätte man es sicherlich besser treffen können, Marteria mit „Endboss“ hat zumindest einen Gaming-Beat und -Text. Aber der ist wahrscheinlich nicht Mainstream genug und Rap hat in der Generation der Orga wahrscheinlich einen noch schlechteren Ruf als Gaming.

Dass Namika später nochmal als Laudatorin zurück kam und sie durch Auftritt + Laudatio wahrscheinlich mit fast soviel Geld nach Hause ging wie einer der kleineren Preisträger lässt zudem auch Frage über die Geldverteilung aufkommen.

Der Livestream

Nötig? In der heutigen Zeit definitiv! Sehr wichtig für die Verbreitung des DCP außerhalb der Kernpersonen der Branche. Sollte der DCP wirklich einmal der „Oscar der Spielebranche“ werden muss auch der Livestream so ausgestaltet werden.

Da ich live vor Ort war habe ich es nur per twitter verfolgt aber scheinbar wurden u.a. Interviews parallel zur Preisverleihung geführt. Und ohne sonderlich viele Infos zu haben: gab es irgendeine Form von Interaktivität mit dem Chat? Hier liegt DER Vorteil gegenüber der einseitigen TV-Übertragung und dies sollte gerade in einer Zukunftsbranche definitiv genutzt werden!

Mit freaks4u, TaKeTV, den Rocketbeans und vielen weiteren gibt es hochprofessionelle Produktionsteams in Deutschland. Und wenn die Personen stimmen verzeiht man vieles wenn sie denn – und da kommen wir zum Stichwort dieses Artikels – authentisch sind.

Stichwort: Authentizität.

In Zeiten von Influencern und Social Media ist „Authentizität“ das A und O. Bist du authentisch dann glauben dir die Leute. Bist du es nicht bist du eventuell gekauft und stehst eventuell gar nicht hinter dem, was du erzählst.
Der DCP 2019 war ganz vieles – aber bestimmt nicht authentisch.
Ina Müller war es eventuell, aber sie zeigte eher, dass ihr wahres Ich Gaming und Gamer nicht kennt und nicht versteht.
Die Laudatoren waren es nicht denn sie waren dort um sich zu präsentieren und nicht um Gaming und tolle Produktionen zu zelebrieren.
Die Musik war es nicht denn Namika hat so viel mit Gaming zu tun wie ihre Songs.
Und – und da liegt der Knackpunkt – die gesamte Orga war es nicht. Denn ein Gamingpreis sollte mit Gaming zu tun haben. Wenn man ihn aber so plant dass alle Elemente, von Moderatoren über Laudatoren zu Musik, ohne Gamingbezug auskommen kann man sich schon fast darüber freuen, dass wenigstens Games belohnt wurden! Diese Gala war so schrecklich generisch und quasi überall austauschbar, anstelle der Games hätten hier auch Film-, TV- oder Musikpreise stehen können.

Wir können nur hoffen dass sich der DCP 2020 die Kritik zu Herzen nimmt. Laut genug war sie definitiv.

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